Ein Jahr in der Hölle
The Year of Living Dangerously
Peter Weir, Australien/USA 1982
Der englische Originaltitel The Year of Living Dangerously bezieht sich auf einen Ausspruch Sukarnos. Sukarno, antikolonialer Befreiungsheld, Mitbegründer der Bewegung der blockfreien Staaten und somit wesentliches Sprachrohr der Dritten Welt, hatte das Jahr 1965, also das Jahr, in dem der Film bzw. die Romanvorlage spielt, so betitelt. Es ist das Jahr der Konfrontasi, also der indonesischen Konfrontationspolitik gegenüber dem Westen nach der vom Commonwealth unterstützten Staatsgründung Malaysias auf dem südostasiatischen Archipel, den Indonesien für sich beansprucht. In den Jahren nach der Unabhängigkeit, als das neu erlangte Selbstbewusstsein der jungen Nation immer stärker mit dem wirtschaftlichen Unvermögen, die Bevölkerung des damals fünftgrößten Landes der Erde hinreichend zu ernähren, kontrastiert, steigert sich Indonesien immer stärker in antikoloniale und antiwestliche Ressentiments hinein. Sukarno, der erste Präsident seit der Unabhängigkeit, schürt den Hass nach Kräften, damit sich das Land gegen einen äußeren Feind vereint, sodass die beiden großen Machtblöcke, die Kommunisten und die Muslime, nicht aufeinander losgehen. Ein politischer Ritt auf der Rasierklinge, dem Sukarno mit seiner Benennung `des Jahres des gefährlichen Lebens´ selbst einen ungewollt passenden Titel verliehen hat.
Das gefährliche Leben mündet schließlich in die Katastrophe der Bewegung des 30. September, als der mit der kommunistischen Partei Indonesiens sympathisierende Oberstleutnant Untung sechs rechte Generäle erschießen lässt bzw. zwei von ihnen einem kommunistischen Mob ausliefert, der sie grausam zu Tode foltert. Hierbei beruft sich Untung darauf, Sukarnos Macht sichern zu wollen und einem angeblichen rechten Putsch zuvorzukommen. Gleiches nehmen die rechten Konterrevolutionäre für sich in Anspruch, die unter Führung des späteren Präsidenten Suharto den linken Umsturz verhindern und anschließend antikommunistische Säuberungen einleiten, die zu irrwitzigen Massakern führten – Schätzungen bewegen sich zwischen 500.000 und drei Millionen Toten. Welches Interesse die Kommunisten, die an Sukarnos Regierung beteiligt waren und ihren Einfluss stetig ausbauen konnten, an einem Putsch haben sollten, ist bis heute Gegenstand politischer Spekulationen. Lange Zeit war es indonesische Staatsdoktrin, einen kommunistischen Umsturzversuch zu behaupten, nicht zuletzt, um die Machtübernahme rechter Generäle und den anschließenden Massenmord an Kommunisten und Chinesen zu rechtfertigen. Es gilt als gesichert, dass westliche Geheimdienste, vor allem die CIA, den rechten General Suharto, der die Massaker im Wesentlichen zu verantworten hat, tatkräftig unterstützte.
Vor diesem Hintergrund erzählt der Film die Geschichte des australischen Rundfunk-Korrespondenten Guy Hamilton, der nach Jakarta versetzt wird und hier seine große Karrierechance wittert. Die Handlung wird zu Teilen erzählt aus der Sicht von Billy Kwan, einem zwergwüchsigen Kameramann, halb australischer, halb chinesischer Abstammung, der Dossiers über alle Menschen anlegt, die ihm wichtig sind. Billy Kwan arbeitet für Hamilton und versorgt ihn fortan mit Exklusivstorys. Obwohl nur einfacher Kameramann, hat er Kontakte zur Spitze der Kommunistischen Partei wie auch zur Britischen Botschaft. Dazu ist er belesen und hochintelligent. Naheliegenderweise verdächtigt Hamilton ihn, ein Agent zu sein. Erst Recht, als er herausfindet, dass Billy eine Akte über ihn führt. Billy und Hamilton sind Teil einer Gemeinschaft von westlichen Journalisten und Botschaftsangehörigen, die sich regelmäßig in der Bar des Hotels Indonesia treffen, abgeschirmt von den Anfeindungen der Konfrontasi und der Armut der Bevölkerung. Der einzige, der sich regelmäßig in die Slums wagt, ist Billy, der, getrieben von einer tiefempfundenen Philanthropie, versucht Ibu, einer alleinstehenden Mutter und deren Kindern zu helfen.
Durch die Zusammenarbeit mit Billy hat Hamilton schnell Erfolg. Er bekommt ein Exklusivinterview mit dem Vorsitzenden der Kommunistischen Partei. Er verfasst eine vielbeachtete Reportage über die Hungersnot auf der indonesischen Insel Lombok. Seine Kollegen im Hotel Indonesia reagieren mit Neid und Bewunderung. Nicht so hingegen die gutaussehende Jill Bryant, die Billy ihm vorstellt. Die britische Botschaftsangestellte zeigt sich ausgesprochen wenig beeindruckt. Dennoch erweckt sie schnell Hamiltons Aufmerksamkeit bei einer Party. Anschließend kommt sie in sein Büro mit der Begründung, sie suche Billy. Hamilton bietet ihr an, sie zu seinem Haus zu fahren und so verbringen sie gemeinsam den Nachmittag. Jill Bryant ist Mitarbeiterin des britischen Militärattachés Ralph Henderson und Hamilton verdächtigt sie, eine Agentin zu sein. Dennoch verliebt er sich in sie, wozu sie ihn durch ihr Verhalten einerseits ermuntert, sich seinem Werben aber andererseits entzieht mit der Begründung, dass sie das Land bald verlasse.
Hamiltons Annäherungsversuche bleiben unerwidert. Doch dann erhält er die Einladung zu einem offiziellen Empfang. Dort bestürmt er sie leidenschaftlich. Als sie immer noch abweisend ist, verlässt er wortlos den Empfang. Als er losfahren möchte, steigt sie auf einmal in sein Auto. Gemeinsam verlassen sie, trotz Ausgangssperre die Party und werden von Soldaten beschossen, als sie eine nächtliche Straßensperre durchbrechen. Billy, der selbst in Jill verliebt ist, beschattet das Paar, macht Fotos und schleicht heimlich um den Bungalow herum, den er Guy vorübergehend überlassen hat. Was es mit seinem Verhalten auf sich hat, bleibt offen, allerdings sind die Texte der von ihm angelegten Dossiers so blumig, dass sie eher poetischer, denn politischer Natur zu sein scheinen. Wenig später erhält Jill abends eine geheime Nachricht des britischen Geheimdienstes, wonach eine Waffenlieferung aus China für die indonesischen Kommunisten unterwegs sei. Die Konsequenzen liegen auf der Hand: Die PKI, die kommunistische Partei Indonesiens, die lange versucht hat, eine Bewaffnung ihrer Anhänger durchzusetzen, wäre nun in der Lage, der von rechten muslimischen Generälen gesteuerten Armee entgegenzutreten; das bedeutet Bürgerkrieg.
In der nächsten Szene läuft Jill verstört durch den Regen. Die Szene spielt tagsüber und läuft als einzige im Film in Zeitlupe. Sie läuft zu Guy in dessen Redaktion, offensichtlich verängstigt und besorgt. Sie gehen in Billys Bungalow und haben Sex. Anschließend erzählt sie ihm von der Waffenlieferung. Guy ist elektrisiert, das ist die Topstory, auf die er immer gewartet hat. Jill sagt ihm, sie habe ihn nur vor dem Bürgerkrieg warnen wollen, damit er das Land rechtzeitig verlasse. Er dürfe die Information nicht verwenden; sie sei geheim und wenn er sie veröffentliche, wisse jeder, wer die Quelle sei. Doch Guy lässt sich nicht abbringen. Gemeinsam mit seinem Assistenten Kumar sucht er nach Beweisen für die Lieferung, damit er die Information veröffentlichen und sich dabei auf eine andere Quelle als Jill berufen kann. Kumar bringt ihn zu einem Bungalow in den Bergen, wo er Freunde hat und überredet Hamilton zu pausieren. Hier lässt er ihm etwas ins Getränk mischen, so dass Guy bei seiner Recherche viel Zeit verliert. Guy erkennt, dass Kumar Kommunist ist und stellt ihn zur Rede. Kumar warnt ihn, dass Hamiltons Name auf einer Todesliste der Kommunisten stünde. Gleichzeitig gibt er ihm eine indirekte Bestätigung, dass die Waffenlieferung bereits im Land sei.
Billy ist entsetzt, dass Hamilton die Story veröffentlicht, obwohl Jill sie ihm vertraulich mitgeteilt hat. Er sieht dies als rücksichtslosen Vertrauensbruch. Er zieht sich von Guy zurück, verlangt den Schlüssel von seinem Bungalow zurück, beendet die berufliche Zusammenarbeit und die private Freundschaft. Billy hat sich bereits immer mehr von seinen anderen westlichen Freunden distanziert und wendet sich stattdessen den Indonesiern zu, deren Armut ihm mehr und mehr zu schaffen macht. Im gleichen Maße steigt seine Enttäuschung über Sukarno, den er im Gegensatz zu seinen westlichen Kollegen immer bewundert hat. Stellvertretend für die Menschen in den Slums steht für ihn Ibu und deren kleine Familie. Als der Sohn an den Folgen von Mangelernährung und schlechten hygienischen Verhältnissen in den Slums erkrankt und stirbt, entschließt Billy sich zu handeln. Bei einem Empfang der Bulgarischen Botschaft im Hotel Indonesia hängt Billy ein Plakat mit der Aufschrift `Sukarno feed your people´ aus dem Fenster und wird von Mitarbeitern des indonesischen Geheimdienstes aus dem Hotel gestürzt.
Guy und Jill treffen sich in Billys Bungalow. Sie wollen verhindern, dass seine Dossiers dem indonesischen Geheimdienst in die Hände fallen. Erstaunlicherweise macht Jill Guy keinerlei Vorwürfe, weil er die geheime Information verwandt hat. Sie habe sich entschlossen, es ihm zu sagen und er sei nun mal Journalist. Ihre Abreise steht unmittelbar bevor und Guy versichert ihr, dass er gemeinsam mit ihr das Land verlasse. Als sich Männer dem Bungalow nähern, fliehen sie durch die Hintertür. – Dann kommt es zum lange erwarteten Putsch. Hamilton fährt zum Präsidentenpalast, der von Soldaten abgesperrt ist. Er ignoriert die Befehle eines Offiziers und versucht unter Berufung auf seinen Presseausweis in den Palast zu kommen. Der Offizier rammt ihm seinen Gewehrkolben ins Auge und Hamilton bricht bewusstlos zusammen. Der Arzt sagt ihm, die Netzhaut habe sich gelöst, er müsse still liegen, sonst verliere er sein Auge. So liegt er hilflos im Bett und wartet darauf, dass die Tötungskommandos der Kommunisten kommen, um ihn zu erschießen. Tatsächlich kriegt er Besuch von Kumar. Doch anstatt ihn zu töten, teilt er ihm mit, dass die Kommunisten den Machtkampf verloren haben. Hamilton überredet Kumar, ihn zum Flughafen zu fahren, obwohl er dann für immer auf einem Auge erblinden wird. Während die von rechten Offizieren befehligten Truppen Massaker an den Kommunisten begehen, schaffen sie es durch die Straßensperren zum Flughafen und Guy erreicht das Flugzeug, wo Jill ihn erwartet.
Die Rolle des australischen Reporters Guy Hamilton wurde naheliegend mit Australiens aufstrebenden Filmstar Mel Gibson besetzt. Wohingegen die US-amerikanische Schauspielerin Sigourney Weaver in der Rolle der britischen Botschaftsangestellten Jill Bryant von der Schilderung der Figur in der Romanvorlage deutlich abweicht. Dort wird sie als klein, blond und anhänglich beschrieben. Mehrfach wird der Größenunterschied zum hochgewachsenen Guy Hamilton betont. Kaum eine Darstellerin könnte unpassender sein als die 182 cm große, brünette Sigourney Weaver mit ihrer ausgeprägt selbstbewussten Ausstrahlung, die zum damaligen Zeitpunkt vorrangig für ihre Rolle in Ridley Scotts Alien berühmt war, wo sie eine durchsetzungsstarke und konfliktbereite Frauenfigur abliefert. Eine Frauenfigur, die sich dadurch auszeichnet, dass sie nicht Opfer ist, nicht reagiert, sondern agiert. Gänzlich anders als die Jill Bryant in der Romanvorlage. In der Aufmerksamkeit von Publikum und Kritik wurde diese kontrapunktische Besetzung der weiblichen Hauptrolle überlagert von der Besetzung der Figur des Billy Kwan mit Linda Hunt. Für ihre Darstellung eines männlichen Zwergs bekam sie 1983 den Oscar. Um die merkwürdige Figur Billy Kwan zu verstehen, lohnt ein Blick in die literarische Vorlage.
Der Roman von Christopher John Koch schildert die Ereignisse aus der Perspektive eines Kollegen von Hamilton und Billy, einem australischen Journalisten, dessen Figur seltsam konturlos bleibt und der einerseits als eine bestimmte Person innerhalb des Romans konkretisiert ist, der andererseits aber als allwissender Erzähler fungiert, was auf den ersten Blick missraten scheint: Ständig schildert er detailliert Ereignisse, Ortschaften und Personen, die er eigentlich nicht kennen kann, weil seine Figur bei den geschilderten Ereignissen nicht anwesend war. Der Name dieses Erzählers lautet Cook. Möglicherweise eine Übersetzung des Autorennamens Koch aus dem Deutschen ins Englische wie auch eine Anspielung auf James Cook, den Vater der australischen Nation. Die Cooksche Schilderung – und damit die Erzählperspektive des Romans – basiert auf Gesprächen mit Hamilton und auf Billys Dossiers, die Cook nach dessen Tod an sich genommen und ausgewertet hat. Die Erzählung des Romans vereint also zum einen die Sichtweise Hamiltons, gebürtiger Engländer, dessen Eltern in den asiatischen Kolonien gelebt haben und der schließlich in Australien aufwächst und die australische Staatsbürgerschaft besitzt. Zum anderen die Perspektive Billy Kwans, eines australisch-chinesischen Mischlings. Beide Narrative werden unter dem vielsagenden Erzählernamen Cook vereinigt und bilden die Grundlage der Geschichte, wobei die Sichtweise Hamiltons leicht überwiegt. Dieses Machtgefälle ist auch in der äußeren Anlage der Figuren deutlich gekennzeichnet: Der Angelsachse Hamilton ist groß, gutaussehend und erfolgreich. Der Halbasiate Kwan ist ein Zwerg, voller Komplexe und getrieben von einer haltlosen Suche nach Anschluss und Anerkennung. Dabei ist er ein intellektueller und emotionaler Riese, voller Hingabe an die Menschheit und ihre Kultur. Er überragt den eindimensionalen Hamilton, der außer einer sentimentalen Schwärmerei für das Britische Empire wenig Gefühl und noch weniger Verständnis für die Welt und die Menschen darin aufbringen kann. Aber Kwan ist kraft seiner Herkunft im wahrsten Sinne des Wortes zu kurz gekommen und muss sich dem intellektuell Unterlegenen in den Dienst stellen. Dieses merkwürdige Hybrid bildet die Erzählung im Roman und soll vermutlich so etwas darstellen wie die australische Perspektive.
Diese Perspektive übernimmt der Film, auch wenn er auf die Erzählerfigur Cook verzichtet. Der Film schildert die indonesische Katastrophe und stellt dabei die Frage nach einer australischen Beteiligung. Vordergründig erzählt der Film die Geschichte eines jungen, aufstrebenden Journalisten, der seine Beziehung zu einer britischen Botschaftsangestellten ausnützt, um seine Karriere zu forcieren. Doch spricht vieles dafür, dass es sich genau umgekehrt verhält, dass eine britische Geheimagentin den australischen Journalisten für ihre Zwecke manipuliert. Freilich wird dies kein einziges Mal explizit ausgesprochen, aber der Film gibt einige subtile Hinweise. Hamiltons gefeierte Reportage über die Hungersnot in Lombok nennt Ralph Henderson Spekulation. Als britischer Militärattaché liegt ihm nichts an einem Beklagen der erbärmlichen Lebensbedingungen der Menschen in Indonesien, da dies in einer Befürwortung eines kommunistischen Umsturzes münden könnte. Auch seine Mitarbeiterin Jill Bryant reagiert distanziert-spöttisch auf die Reportage. Als sie in Hamiltons Büro auftaucht, angeblich um Billy zu besuchen, reagiert Kumar, seinerseits Mitglied der kommunistischen Partei, wie sich später zeigt, misstrauisch und beunruhigt. Auf Hamiltons Frage, ob sie Geheimagentin ist, antwortet Jill sibyllinisch: „Glauben Sie, ich würde es Ihnen sagen, wenn ich eine wäre?“ Die Frage beantwortet sich von allein. Was soll sie als Mitarbeiterin eines Militärattachés sonst sein? Die einzige harmlose Möglichkeit wäre der Beruf der Sekretärin, aber als solche wird sie nicht eindeutig gekennzeichnet.
Nachdem Jill den offiziellen Empfang Hals über Kopf verlassen und eine Nacht mit Guy verbracht hat, kommt sie am nächsten Tag in die britische Botschaft zurück, wo sie von Ralph Henderson ermahnt wird: Er hoffe, sie wisse, was sie tue. Die Szene erweckt zunächst den Eindruck, ihr Vorgesetzter gebe ihr einen warnenden Hinweis, weil sie ihre Pflichten gegenüber der Botschaft vernachlässigen könnte. Aber auch diese Szene lässt sich anders lesen. Die Warnung des Chefs kann auch so gemeint sein, sie solle nicht ihren Kopf verlieren, sie solle zwar mit dem australischen Journalisten anbändeln, sich aber nicht verlieben, weil sie ihn später für ihre bzw. die britischen Zwecke benutzen muss. Bevor Jill Bryant die Information über die Waffenlieferung an Guy Hamilton weitergibt, läuft sie allein durch den Regen. Sie ist offenbar von Zweifeln ergriffen und grübelt. Die Bilder suggerieren, dass sie mit sich selbst kämpft und schließlich einen Entschluss fasst. In der vordergründigen Handlung liest sich die Szene so, dass sie mit sich darum ringt, ob sie eine geheime Information an ihren Geliebten weitergeben darf, der als Journalist ja davon Gebrauch machen könnte. Sie ließe sich aber genauso gut auch so verstehen: Die Geheimagentin ringt mit sich selbst, ob sie ihren Geliebten dazu missbrauchen darf, eine Information zu streuen, von der die britische Regierung ein Interesse hat, sie öffentlich zu machen. Für letzteres spricht, dass sie, nach dem anfänglichen Hinweis, dass er diese Information nicht verwenden darf, nach der Veröffentlichung keineswegs empört, sondern auffallend gelassen ist.
Die beiden Szenen werden von der Regie miteinander verbunden: Das Love-Theme des Films, `L'enfant´ von Vangelis, taucht genau an jenen zwei Stellen auf: Als Jill Bryant nach dem Empfang zu Guy Hamilton ins Auto steigt und als sie die geheime Nachricht über die bevorstehende Waffenlieferung aus China erhält, anschließend durch den Regen zu Hamiltons Büro läuft und ihn verführt. Die Regie verknüpft über die Musik also den Beginn der Liebesbeziehung und die geheime Information über die Waffenlieferung. Natürlich ist auch diese Akzentuierung mehrdeutig. Das musikalische Liebesthema zur Untermalung des Empfangens der geheimen Nachricht könnte auch die Besorgnis um den Geliebten ausdrücken, wie es vordergründig scheint. Doch vieles spricht dafür, dass Jill ihre Beziehung zu dem naiven Journalisten ausnutzt, um eine Information durchsickern zu lassen. Der veröffentlicht sie und direkt im Anschluss daran schlagen die Militärs los und beginnen mit dem Massenmord an den Kommunisten. Wie sollte eine britische Delegation mit einem bevorstehenden kommunistischen Umsturz in einem der bevölkerungsreichsten Länder der Welt umgehen? Natürlich würde sie alles tun, diesen zu verhindern. Erst Recht in den 60er Jahren kurz nach der Kubakrise und während des Vietnamkrieges.
Es handelt sich hier nur um subtile Hinweise. Der Film bekennt sich nicht eindeutig zu der Verschwörung westlicher Geheimdienste gegen die Kommunisten. Er belässt es bei Andeutungen. Diese sind aber umso wichtiger, als der Film hier von der Romanvorlage abweicht. Es handelt sich also explizit um die Filmidee. In der Romanvorlage verhält es sich anders. Jill Bryant ist dort die Sekretärin des Militärattachés. Sie ist sehr verliebt in Guy Hamilton und sehnt sich danach, von ihm geheiratet zu werden, während es im Film umgekehrt so geschildert wird, dass Hamilton mehr an ihr zu liegen scheint als umgekehrt. Jegliche Andeutungen, sie könnte als Agentin arbeiten, fehlen im Buch komplett. Auch gelangen seine Recherchen über die Waffenlieferung aus China nicht an die Öffentlichkeit und können somit auch in keinem Zusammenhang zum Putsch Suhartos stehen. Es handelt sich hier um eine Zutat des Drehbuchs, an dem der Autor des Romans Christopher J. Koch ebenfalls beteiligt war. Gerade diese Abweichung von der literarischen Vorlage ist ein Hinweis, dass dieses Handlungsmotiv für den Film von Bedeutung ist, der sich damit als spekulativer, aber auch als subtiler und nuancierter als der Roman erweist.
Der Film greift die langjährigen Vermutungen über eine Beteiligung westlicher Geheimdienste an der Machtübernahme Suhartos auf – ohne sie explizit zu behaupten, sondern indem er eine Lesart zulässt, wonach der Journalist auf der Suche nach einer Topstory über den erwarteten Bürgerkrieg diesen durch eine übereilte Veröffentlichung einer ihm vom britischen Geheimdienst soufflierten Information allererst herbeiführt. Dass er von einem Schlag mit dem Gewehrkolben sein Augenlicht verliert, bekommt nun im Film einen geradezu symbolischen Unterton. Guy Hamilton ist im wahrsten Sinne des Wortes mit Blindheit geschlagen. Guy erblindet, Billy stirbt. Guy und Billy stehen stellvertretend für die australische Perspektive, die sich aufspaltet in eine asiatische und eine angelsächsische. Die asiatische Seite ist unterlegen und geht in ihrer Fraternisierung mit den Elenden in Indonesien zugrunde. Die angelsächsische Seite ist in ihrer Loyalität gegenüber dem Commonwealth und Großbritannien stabil, aber zutiefst naiv.
Australien als der nützliche Idiot des Empire, der sich immer wieder für die Zwecke Großbritanniens einspannen lässt: Ein Thema, das in den frühen 80er Jahren häufiger das Schaffen australischer Filmemacher beschäftigte. Zum Beispiels Peter Weirs Gallipoli von 1981 über den Einsatz australischer Soldaten in der Dardanellenschlacht; der Film klagt das britische Militär an, die australischen Einheiten verheizt zu haben. Oder der ein Jahr zuvor erschienene Breaker Morant über den in Australien populären Harry Morant; der in britischen Diensten stehende Morant wurde zusammen mit australischen Kameraden im Burenkrieg zum Bauernopfer britischer Politik und als Kriegsverbrecher erschossen. Auch in The Year of Living Dangerously kommt der australische Minderwertigkeitskomplex, sich niemals vollständig von der britischen Bevormundung emanzipiert zu haben, zum Ausdruck, in der Andeutung, dass der vom britischen Geheimdienst übertölpelte Held die spektakuläre politische Hintergrundstory, die er die ganze Zeit sucht, selbst inszeniert, ohne es zu wissen.
Bibliographie (Auswahl)
Goldsmith, Ben and Lealand, Geoffrey. Directory of World Cinema: Australia & New Zealand. Bristol, U.K.: Intellect Books, 2010.
Koch, Christopher: The Year of Living Dangerously, Nelson 1978.
Wörther, Matthias: Peter Weir: Überschreitungen des Alltags. In: Thomas Bohrmann, Werner Veith, Stephan Zöller (Hrsg.): Handbuch Theologie und Populärer Film. Band 1. Ferdinand Schöningh, Paderborn 2007, S. 231–242.
Vernay, Jean-Francois. Water From the Moon: Illusion and Reality in the Works of Australian Novelist Christopher Koch. Youngstown, N.Y.: Cambria Press, 2007.
Abbildungsnachweis
Die Abbildungen stammen aus Ein Jahr in der Hölle, Australien 1982, McElroy & McElroy Production, Regie Peter Weir. Kamera: Russel Boyd. Drehbuch: C.J. Koch, Peter Weir, David Williamson. 1982 Turner Entertainment Co. 2006 Warner Bros. Entertainment Inc. Im Vertrieb von Warner Home Video Germany. A division of Warner Bros. Entertainment GmbH.