Die Körperfresser kommen
Invasion of the Body Snatchers
Philip Kaufmann, USA 1978
Seit das Original von Don Siegel 1956 in die Kinos kam, wurde der Stoff der in seelenlose Doppelgänger verwandelten Menschen als politische Metapher des Kalten Krieges verstanden. Die Motive, mittels derer der Film seine Geschichte erzählt, deuten auf eine Parabel über den Kommunismus hin: Unterwanderung der Gemeinschaft durch einzelne Agenten einer fremden Macht, die sich nicht zu erkennen geben; Lautsprecherdurchsagen, die von den kollektivierten, des eigenen Willens beraubten Menschen gehorsam befolgt werden; die Überwindung des freien Willens und menschlicher Schwächen zugunsten einer funktionierenden Gesellschaft; die Schaffung des neuen Menschen, der sich als emotionsbefreiter Rationalist entpuppt.
Wie auch immer Don Siegels Film zu verstehen ist, er wurde so eingehend diskutiert und sowohl als Kommentar auf den Kommunismus als auch als auf den McCarthyismus interpretiert, dass zumindest eines sicher war: Eine Neuverfilmung des Stoffes – zumal in den hochgradig politisierten siebziger Jahren – würde genau auf eine Auseinandersetzung mit dieser Frage hin abgeklopft werden: Was ist die eigentliche Bedrohung der Menschheit – der Kommunismus oder der Kapitalismus?
Vielleicht auch deswegen wählte Philip Kaufmann für seine Wiederauflage das linksliberale San Francisco als Schauplatz – und vielleicht auch weil die Stadt an der Bay Area regelmäßig von einem dichten Nebel heimgesucht wird, was sich gut mit der Filmidee der aus dem Weltall driftenden Sporen und Keime verträgt, die sich mit der irdischen Atmosphäre vermischen und mit dem Regen auf die Erde gelangen. Dort angekommen macht sich die alieneske Intelligenz daran, ihr Wirtsvolk zu usurpieren – unter tätiger Mithilfe gerade derjenigen, die es sich zum Ziel gesetzt haben, dieses zu verhindern: Gleich zu Anfang des Films ist es die von Brooke Adams gespielte Biologin Elisabeth Driscoll, die eine der aus den galaktischen Keimen erwachsene exotische rote Blüte findet und mit nach Hause nimmt. Sie tut dies in bester Absicht: Denn sie vermutet eine parasitäre Spezies, die die einheimische Flora bedrohen könnte. Tatsächlich kommt es noch viel schlimmer, denn die Parasiten haben es nicht etwa auf Pflanzen, sondern auf Menschen abgesehen, indem die kleinen Blüten zu gewaltigen Schoten mutieren, aus denen menschliche Körper erwachsen, Ebenbilder der in ihrer Nähe schlafenden Menschen, die dann deren Platz einnehmen. Also ist sie es, die ihren Mann Geoffrey, der sich als erster verwandeln wird, dem Unheil ausliefert, – gerade dadurch, dass sie ein Unheil befürchtete und verhindern wollte. Dies erweist sich als das wesentliche erzählerische Moment des Films: die Herbeiführung des Untergangs der Menschheit durch die Menschen selbst. Dies zeigt der Film am Beispiel einer Gruppe von Freunden, die auf der vordergründigen Handlungsebene einen mutigen und verzweifelten Kampf führen, um die Menschheit bzw. die Menschlichkeit zu retten, die aber, bei genauerer Betrachtung ihrer Taten, das Gegenteil bewirken und ungewollt zu Handlangern derjenigen werden, die die Menschheit vernichten wollen.
Besonders exemplarisch vollzieht sich dies am Handeln der Hauptfigur, dem von Donald Sutherland verkörperten Dr. Matthew Bennell. Allein schon sein Beruf ist stellvertretend für das Thema des Films. Als Mitarbeiter des Gesundheitsamtes ist es seine Aufgabe, den kollektiven körperlichen und psychischen Zustand des Gemeinwesens zu verbessern. Und genau indem er dies versucht, zieht er fortwährend mehr Unheil auf sich, auf seine Freunde, auf die Stadt und ihre Bewohner. Er tut dies vor allem durch seine ständigen Telefonate, in denen er die Behörden und die staatlichen Autoritäten vor der drohenden Gefahr zu warnen sucht, sie aber tatsächlich nur auf das kleine Widerstandsnest von ihm und seinen Freunden aufmerksam macht. Denn die Behörden und die Staatsgewalt – genau das, wovon Matthew sich Rettung erhofft – sind längst unterwandert und Teil der Verschwörung gegen die Menschheit. Dieser von den Menschen zur besseren Organisation ihres Zusammenlebens geschaffene Apparat wendet sich nun gegen die Menschheit, um sie auszulöschen.
Vor allem aber zieht Matthew den Psychiater Dr. David Kibner ins Vertrauen und damit sich und seine Freunde ins Verderben, denn Kibner ist einer der zentralen Organisatoren der fremden Macht, der ein möglichst reibungsloses Voranschreiten der massenhaften Umwandlung sicherstellen soll. Gespielt wird er von Leonard Nimoy, der für seine Rolle in Star Treck als Mr. Spock einem Millionenpublikum als Außerirdischer bekannt war. An der linken Hand trägt er eine Ledermanschette als zusätzlichen Verfremdungseffekt. Der Film gibt sich also gar keine Mühe, die Zwiespältigkeit des sinistren Seelenarztes zu verschleiern, betont also umso mehr Matthews Blindheit, der die wahre Natur des Psychiaters nicht erkennt.
Matthews Freund, der von Jeff Goldblum gespielte Jack Bellicec, ist als Counterpart zu Matthew angelegt: ein großes Kind, ein wenig unreif, ein wenig naiv, bar jeglichen strategischen Handelns. Der verkannte Schriftsteller agiert verspielt und impulsiv, misstraut aber dem doppelzüngigen Psychiater intuitiv. Auf die sie allmählich einkreisende Bedrohung reagiert er mit seinem anarchischen Charakter nicht durch vertrauensvolle Hinwendung an die Obrigkeit, sondern spontan und heroisch. Als es keinen Ausweg mehr gibt und die Gruppe von den sie jagenden Umgewandelten eingekreist wird, verschafft er seinen Freunden durch sein Opfer einen entscheidenden Vorsprung. In seinem Vertrauen auf Fantasie und Instinkt unterscheidet er sich deutlich von Matthews nüchterner Sachlichkeit. Noch mehr gilt dies für seine von Veronica Cartwright gespielte Frau. Die hysterische und abergläubische Nancy Bellicec erscheint im Film als die personifizierte Unvernunft. – Und gerade sie bewahrt sich am längsten ihre Menschlichkeit. Als die Freunde einschlafen und aus den Schoten im Garten die Doppelgänger schlüpfen, ist sie es, die als einzige die Gefahr erkennt und Matthew weckt; sie ist es, die Matthew und Elisabeth erklärt, wie man von den Umgewandelten nicht erkannt wird; als alle anderen schon umgewandelt sind, ist sie immer noch Mensch, bis sie in der erschütternden Schlussszene schließlich von dem inzwischen ebenfalls transformierten Matthew verraten wird.
Matthew Bennell erweist sich als die tragische Figur des Films: Er tut fortwährend das Richtige und verschlimmert dadurch alles. Matthew sucht Hilfe bei den Behörden, beim Staat, beim Apparat – doch genau von eben diesen Organisationsstrukturen geht die größte Gefahr aus. So sind es die abstrakten funktionalistischen Gebilde der modernen Gesellschaft, die im Film unheilschwanger wirken. Und genau dies ist die zentrale Aussage des Films: Durch den Versuch, alles richtig machen zu wollen, durch den Versuch, den Zustand der Welt und der Menschheit mittels perfekter Organisation zu verbessern, wird die Welt entmenschlicht und die Menschen werden ihrer Seele beraubt: In der Vergesellschaftung des Individuums eine Bedrohung von dessen Freiheit zu wittern, ist ein beliebter Diskurs der 60er und 70er Jahre, den Kaufman in seinem Film mittels drastischer Symbolik bedient.
Dazu greift der Film zahlreiche Motive des Originals auf und verstärkt deren metaphorisches Potenzial. Die Hauptperson Matthew nutzt ständig das Telefon, um Hilfe zu organisieren, dabei dient es den Invasoren, um ihn und seine Widerstandszelle zu überwachen. Das gefährliche Eigenleben, das der technische Apparat entwickelt hat, deutet sich an einer frühen Stelle im Film an, wenn das Telefonkabel automatisch eingesogen wird. Ähnlich wie das Telefon sind die roten Müllautos ein wiederkehrendes unheimliches Motiv der fortschreitenden Unterwanderung der Gesellschaft, wenn sich die Verschwörer dort treffen, um die Pflanzen, die die Doppelgänger gebären, in den Autos zu entsorgen, um so die Spuren der schleichenden Umwandlung der Menschheit zu verschleiern. Diese vollzieht sich im Schlaf, was der Film mehrfach in eindringliche Bilder fasst und so die Warnung seines symbolischen Subtextes formuliert: Schlaft nicht, seid wachsam, sonst verliert ihr eure Menschlichkeit.
Ist der Film eine Parabel auf den Kommunismus? Nur bedingt. Er ist ein Misstrauen in die Vernunft, ein Misstrauen in eine Welt unter der Maxime der Rationalität, ein Plädoyer für die Spontaneität der Gefühle. Dies kann antikommunistisch gedeutet werden, aber genauso gut antikapitalistisch, insofern auch der kapitalistische Verwertungsprozess sich die Menschen zu seelenlosen Robotern abrichtet. Der Film ergreift in dieser Frage keine Partei, ist nicht im engeren Sinne antikommunistisch oder antikapitalistisch, sondern im weiteren Sinne antimodern, insofern er eine unheilvolle Tendenz der Moderne beschwört: Die Entseelung einer immer besser organisierten, immer rationaleren Welt. Der Film fungiert hier als drastische Parabel, Kaufmann evoziert in seiner Science-Fiction-Horror-Story emphatische Begriffe wie Seele, Menschheit und Menschlichkeit. Und so formuliert der Film eine pathetische Botschaft: Das Menschliche, die Menschlichkeit, die Seele, sind bedroht. Und zwar bedroht durch diejenigen Menschen, die alles richtig machen, die funktionieren. Je mehr wir zu solchen seelenlosen Robotern eines allmächtigen Apparats werden, und je weniger wir diese Veränderung an uns bemerken – also wenn wir nicht wachsam sind – dann drohen wir unsere Seele, unsere Menschlichkeit zu verlieren.
Bibliographie (Auswahl)
Alpers, Hans J.; Fuchs, Werner; Hahn, Ronald M.: Reclams Science-fiction-Führer. Reclam, Stuttgart 1982, Hans Joachim Alpers, S. 154 f.
Arnold, Frank; Esser, Michael (Hrsg.): Dirty Harry: Don Siegel und seine Filme. Vertigo, München 2003.
Finney, Jack: Die Körperfresser kommen (Originaltitel Invasion of the Body Snatchers), Goldmann, München 1979.
Knight, Damon Besprechung in In Search of Wonder, 2. Auflage, Advent, Chicago, 1967.
Abbildungsnachweis
Die Abbildungen stammen aus Die Körperfresser kommen, USA 1978, Produktion: Robert H. Solo. Regie: Philip Kaufman. Kamera: Michael Chapman. Drehbuch: W.D. Richter. Metro-Goldwyn-Mayer Studios. Inc. Copyright 2000 MGM Home Entertainment.